FAQ MS-Stereomikrofonierung
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Hallo Zusammen!
Wir bekommen im Rahmen unseres Supports für HOFA-College Studenten immer wieder interessante Fragen zu tontechnischen Themen. Damit auch ihr von diesen teils ausführlichen Antworten profitieren könnt, möchten wir diese ab und zu unter dem Tag "FAQ" mit euch teilen.
Heute geht es um die MS-Stereomikrofonierung.
Grundsätzlich beschreibt die Technik den Einsatz von einem Mikrofon als M-Signal und ein zweites als S-Signal. Dabei wird meistens für das M-Signal ein Mikrofon mit Nierencharakteristik verwendet. Das zweite Mikrofon muss die Richtcharakteristik Acht besitzen. Aus dem beiden Signalen lässt sich mit Hilfe einer MS-Matrix wieder ein L/R-Signal herstellen, welches man dann normal über Lautsprecher oder Kopfhörern abhören kann. Genaueres zum Aufbau und zur Technik steht im PRO-Kurs, LE6, Seite 53.
Welche Vor- und Nachteile gibt es?
Fangen wir mit den Vorteilen an.
Durch die getrennt verfügbaren M- und S-Signale lässt sich sehr einfach der Aufnahmebereich einstellen. Je lauter das S-Signal im Verhältnis zum M-Signal geregelt wird, desto kleiner ist der Aufnahmebereich. Die resultierende Aufnahme klingt also breiter. Umgekehrt funktioniert es genauso.
Das MS-Verfahren ist eine Koinzidenz-Stereomikrofonierung. Langes Wort, doch was bedeutet das genau? Das Wort kommt daher, dass die beiden Mikrofonmembranen praktisch "auf einen Ort fallen", also möglichst nah beieinander sind. Dadurch findet die Lokalisation von Schallsignalen im Stereobild ausschließlich über die Pegeldifferenzen statt. Es gibt keine Laufzeitunterschiede, da zwischen den beiden Membranen ja kein nennenswerter Abstand ist. Die XY-Technik basiert übrigens auf dem gleichen Ansatz. Der Vorteil dabei ist, dass sich Positionen von Signalen recht genau erkennen lassen und das Signal absolut mono-kompatibel ist. Ohne Laufzeitdifferenzen gibt es auch keine Auslöschungen beim Mono-Mix.
Anders als das XY-Verfahren hat das MS-Verfahren allerdings ein Mikrofon, welches direkt nach vorne gerichtet ist. Dadurch ist die Abbildung der Stereomitte präziser und präsenter. Die beim XY-Verfahren verwendeten Richtcharakteristiken haben in der Regel eine höhere Richtwirkung in den hohen Frequenzen, was dazu führt, dass die Stereo-Mitte "matter" abgebildet wird, als die Seiten.
Dadurch, dass die Mikrofone sehr nah beieinander platziert werden, ist der Aufbau kompakt und lässt sich auch auf einer engen Bühne gut unterbringen.Kommen wir nun zu den Nachteilen.
Die beiden M- und S-Signale lassen sich nicht direkt abhören. Man braucht immer eine Art Dekodierungs-Matrix, um das Signal vernünftig abhören zu können. Gerade wann man latenzfreies Monitoring benötigt, kann das ein Problem werden.
Für das S-Signal braucht man natürlich ein Mikrofon mit Achter Charakteristik. Diese sind allerdings nicht so weit verbreitet und oftmals nur als Doppelmembran-Mikrofon verfügbar. Damit lässt sich natürlich auch experimentieren, Puristen schwören aber auf "echte" Achten.
Natürlich hat hat die Technik auch die Nachteile der Koinzidenz-Stereomikrofonierung. Und zwar wird Räumlichkeit nicht so überzeugend und beeindruckend übertragen, wie es beispielsweise die AB-Technik vermag.
Außerdem ist die Abbildung von sehr tiefen Signalen nicht optimal, da Mikrofone mit der Richtcharakteristik Acht prinzipbedingt diese nicht so gut übertragen können.Welches Mikrofon sollte für das M-Signal genutzt werden?
Theoretisch kann hier jede Richtcharakteristik verwendet werden. Sinnvoll sind besonders Nieren und Kugeln. Wird ein Mikrofon mit Kugelcharakteristik genutzt, ist der Aufnahmebereich größer. Außerdem ist das Signal etwas indirekter, durch die Reflexionen von "hinten". Vorteilhaft sind allerdings die positiven Klangeigenschaften der Druckempfänger.
Denkbar ist auch die Nutzung von zwei Achten. Dies erinnert dann an die Blumlein Stereofonie, mit dem Unterschied, dass die Signale MS-dekodiert werden.Wie wandle ich am einfachsten ein M/S-Signal in ein L/R-Signal?
Wie schon angesprochen, muss das Signal immer noch gewandelt werden. Wenn einem der manuelle Weg zu umständlich ist, gibt es dafür natürlich auch Tools. Da kann ich natürlich unsere Freeware HOFA 4U Meter, Fader & MS-Pan empfehlen ;)
Für welche Anwendungsbereiche eignet sich die Technik besonders?
Schwierige Frage ;) Im Grund lässt sie sich immer verwenden, wenn man eine Stereo-Mikrofonie benötigt. Durch die hohe Lokalisationsschärfe und die Mono-Kompatibilität wird es gerne für Hörspiele aber auch für Filme eingesetzt. Bei Live-Aufnahmen mit Platzmangel und unter schlechten akustischen Bedingungen kann die M/S-Technik auch die Vorteile ausspielen.
Ansonsten mag ich persönlich Stereoverfahren mit Laufzeitdifferenzen (ORTF, AB...) für die meisten Aufnahmen lieber.So das war's erstmal, wenn ihr noch Fragen habt, könnt ihr die gerne stellen, ich ergänze dann diesen Post, damit das FAQ vollständig bleibt :)
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Herzlichen Dank Fabian. Die Idee FAQ's hier zugänglich zu machen finde ich klasse.
Weiter so...
Grüße
Sven
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Das mit der FAQ ist eine weitere super Idee von Euch! Ihr seid klasse!
Vielen Dank & Grüße
Oli
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Hi Fabian, ich hab mal eine Anfänger - Frage. das MS-Stereomikrofonieren wird wohl meistens bei Aufnahmen von Drums oder Bands genutzt, verstehe ich das richtig? Ich nehme bei mir zuhause in meinem Wohnzimmer auf (Overdub). Gesang und Akkustikgitarre.Und Ich besitze auch kein Mikrofon desselben Modells doppelt. Gibt es in meinem Fall deiner Meinung nach sinnvolle Verwendung von Stereomikrofonie ?
Gruß Andi
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Hi @Andiii
Die MS-Stereomikrofonierung kann im Grunde für alle möglichen Quellen verwendet werden, es ist aber wie oben schon steht, besonders im Rundfunk verbreitet.
Für dich könnte es sinnvoll sein, die Gitarre in Stereo aufzunehmen, das ist aber nur dann sinnvoll, wenn die Mischung genügend Platz bietet. In der Regel brauchst du dafür allerdings 2 gleiche Mikrofone. Ausnahme ist hier tatsächlich MS, wenn du ein Mikrofon hast, dass sich auf die Richtcharakteristik Acht einstellen lässt, kannst du auch damit Stereoaufnahmen machen :)