@b-i-g-biggie46 Es kommt wirklich auf die Stimme und den musikalischen Kontext an - vor allem beim Mikrofon, aber natürlich auch durch den Rest der Signalkette. Für die meisten Rap- und Pop-Kontexte sieht meine Chain in der Regel ungefähr so aus:
Helles Röhrenmikro (U47, C12, VM1 o.ä.) -> Preamp mit etwas Charakter (1073, BAE73, SSL o.ä.) -> "chirurg." EQ (z.B. SSL E-Channel) -> eher langsame Kompression (z.B. CL1B, Distressor) -> schnellere "Charakter-Kompression" (z.B. 1176, Distressor) -> "Shaping EQ" (fast immer ein Program Pultec) -> Wandler
Ggf. kommt dazu noch ein Parallelpfad, der je nach Projekt entweder auf einem zweiten Kanal, auf dem zweiten Kanal einer Stereospur oder direkt summiert aufgenommen wird. Das kann z.B. ein S-Kanal sein (resultiert in einer MS-Stereofonie der Vocals), ein Raummikro, eine Parallelverzerrung via Pedals, Outboard, Leslie oder Gitarrenverstärker oder auch ein paralleler Tape-Pfad (Tape-Echo, Slapback, Kassettenrekorder oder einfach nur Studiotonbandmaschine). Bei Rap mache ich das zwar relativ selten und eher für Adlibs o.ä., aber bei Rock und co. kommt das sehr häufig vor. Wenn einzeln bzw. auf getrennten Stereokanälen aufgezeichnet wird, kann der Blend später im Mix bestimmt und auch automatisiert werden.
Der "chirurgische EQ" dient der Bewältigung von Rumble und co. und sorgt dafür, dass die Kompressoren auf das Nutzsignal reagieren und nicht auf etwaige Störquellen o.ä.. Ich versuche immer, so früh wie möglich in der Kette einen fertigen Sound zu erhalten, damit die Obertöne und Dynamics dem entsprechen, was wir am Ende hören wollen. Die meisten Producer/Engineers, die ich kenne, verwenden übrigens erst einen schnelleren, dann einen langsameren Kompressor, aber ich komme persönlich meistens mit "langsam vor schnell" besser zum Ergebnis. Hat also auch viel mit Workflow und Geschmack zu tun.
Übrigens: Ich wechsle häufig den Gain-Bereich oder auch die Impedanz des Preamps, den Mikrofonabstand, die Richtcharakteristik, den Raum und/oder das Mikrofon für Dopplungen/Adlibs/BVs. Unterschätze auch nicht die "Mikrofondisziplin" des Artists und allgemein alles, was in Mikrofonnähe passiert (Abstand, Winkel, Popschutz, Early Reflections, usw. haben allesamt einen enormen Einfluss!), den akustischen Raum und vor allem natürlich auch das passende Gain Staging (v.a. bei Vintage-Geräten)!