Ich sehe da zwei verschiedene Aspekte:
1) Grundsätzlich stimme ich zu: Ja, ihr habt beide recht, die Informationen die man zum Mix dazu bekommt sind zu dünn, das ist unstrittig. Das hatte ich schon vor Jahren nach Abschluss des Kurses als Feedback an HOFA geschickt - schade dass da offenbar nichts passiert ist.
In der normalen Welt gibt es ja quasi in 95% der Fälle zumindest eine kurze Kommunikation mit der Band oder dem Produzenten, wo bestimmte Wünsche (vor allem Referenzbands!) vor dem Mix geklärt werden. Das fehlt hier völlig. Warum?
Eine Praxismischung war z.B. zu meiner Zeit wenn ich mich richtig erinnere ein Tutorial für eine Schlagzeuger-DVD. Klar, dass man das Schlagzeug dann unnatürlich prominent mischen soll - dieses nicht ganz unwichtige Detail erfuhr ich aber erst in der Mixanalyse.
2) Die andere Wahrheit ist aber auch: Wer ohne Vorerfahrung den HOFA Complete Kurs macht liefert meines Erachtens in den ersten ca. 10 Praxismischungen einfach schlechte Qualität im Vergleich zu einem professionellen Mix ab. Das war bei mir selbst auch so und hat nichts mit talentiert oder untalentiert zu tun, das ist einfach die Grunderfahrung, die man erstmal sammeln muss.
Und ich sag mal ganz hart: Die HOFAs sind in Ihren Analysen noch sehr diplomatisch. Wenn da steht „Drums zu leise, Stimme zu laut“ dann hat das in den meisten Fällen nix mit irgendeiner Sonic Vision zu tun oder zu sehr wie Pop gemischt, dann ist das in der Regel ein deutlicher Mixfehler.
Ich kenne das selber, man fängt dann gerne an über „künstlerischen Geschmack“ diskutieren und ob das nicht auch anders geht. Ich hab z.B. in den frühen Pro Mischungen teils einen ziemlichen Scheiß zusammengemischt (Highlight: Hall auf die Rap Vocals, weil das so schön mysteriös klang ), da stehen mir heute die Haare zu Berge. In der Mixanalyse stand dann auch nur so etwas von „Hall etwas zu stark im Vergleich zum typischen Genrestandard“ anstatt „Der Hall ist eine Katastrophe“. Das hat mich natürlich nicht davon abgehalten mit dem armen Support zu diskutieren, ob das nicht irgendwie doch unter die künstlerische Freiheit fällt.
Meine Meinung im Rückblick ist: Nahezu alles was in den Mixanalysen drin stand, war unabhängig von irgendeiner Sonic Vision richtig. Man braucht aber eine gewisse Mix-Erfahrung um das auch wirklich nachvollziehen zu können. Meines Erachtens sind die 6 Mixanalysen im Pro Kurs da auch eigentlich zu wenig. Wer das Geld übrig hat sollte drüber nachdenken sich zusätzliche Analysen zu gönnen. Wer das Complete Paket macht, kann seine Praxismischungen und die Mixanalysen zusammen aufheben und alle 6-12 Monate nochmal anhören und durchlesen, da merkt man erstmal wie sich das Hörverständnis erweitert.
Und dass man heute nicht mehr ein Klangbild wie in den 80er Jahren zusammenmischt, sollte ja eigentlich auch klar sein. Man kann sich ja mittlerweile auch selber leicht Referenzen suchen: Einfach das Genre+2021 bei Spotify eingeben und sich die ersten 10 Tracks der Playlist anhören, dann hat man da einen guten Rahmen in dem man sich meiner Erfahrung nach bewegen kann.
Zur Prüfungs-Benotung kann ich noch sagen, dass wenn man einfach den Prüfungsmix ordentlich nach den gelernten Maßstäben im Kurs mischt, niemals durchfällt. Ob man - gerade für die praktischen Prüfungen - noch genauere Hinweise gibt, kann man sicher überlegen. Bei meiner damaligen Abschlußmischung stand z.B. als Mixtipp dabei "solider Jazz Standardsound" und "keine halbherzigen Klangexperimente", das hat mir persönlich für einen guten Mix gereicht.